Brigitte Schwaiger: Wenn Gott tot ist


Wenn Gott tot ist - Brigitte Schwaiger

„Es hatte nun die erst wirklich schwere Zeit in meinem Leben begonnen, unzählige Jahre bis heute, in denen ich nicht begriff und nicht begreife, warum ich leben muß und wozu.“ Zum beschriebenen Zeitpunkt war Brigitte Schwaiger 22 Jahre alt. Bis 2010 dauerte das Fragen an. Das Zitat ist aus ihren 2012 erschienen Memoiren „Wenn Gott tot ist“ entnommen. An dieser Stelle im Buch (im Leben) ist ihre erste Ehe und damit auch ihre erste Flucht von zu Hause gescheitert. Und am Weg zurück von Spanien in die oberösterreichische Stadt Freistadt machen sich die ersten Symptome einer psychischen Störung bemerkbar. Zuhause gibt es aber kein Verständnis, weder für das Scheiter und schon gar nicht für den psychisch labilen Zustand der Tochter. Es gilt zu Schweigen, zu Verstecken und zu Lügen. Der Vater, ein praktischer Arzt, hätte wohl die Möglichkeit gehabt die psychische Krankheit der Tochter auszumachen. Es fehlte allein am Willen. Und die Mutter war eher in Sorge um den guten Ruf als um den Gemütszustand der Tochter. Von den Eltern wird die junge Frau das erste Mal in ihrem Leben in eine Tablettensucht gedrängt. Es ist ein verlogenes, faschistoides und heuchlerisch katholisches, kurz um ein erschreckendes Bild das Brigitte Schwaiger von ihrem Elternhaus entwirft. Sie flieht und stolpert und fällt und stolpert und fällt und wird doch nie aufgefangen und wenn doch einmal, so reist sie sich wieder los. Der Text zeichnet aber nicht nur den Lebensweg der Autorin sondern ist vielmehr tiefer und sehr scharfsinniger Einblick in die Gesellschaft. Mit jeder Zeile wird verständlicher warum ein junger intelligenter und sensibler Mensch der nur einen Funken Schwäche zeigt, an diesem System scheitern muss. Sie erzählt über ihre Beziehungen zu Männern, zur Begegnung mit der Literatur und immer wieder von der Konfrontation mit dem Glauben. Ihr literarisches Debüt, gleichzeitig ihr größter literarischen Erfolg „Wie kommt das Salz ins Meer“, der sie aus dem Nichts in die oberste Reihe der österreichischen Schriftstellerinnen stellte streift sie in ihren Memoiren nur am Rande. Lieber erzählt sie über die Zeit mit Eva Deutsch und der Arbeit an „Die Galizianerin“. „Sie berichtete von einem Soldaten, der erschossen wurde und ich tippte ein paar Sätze, die mir wie eine besondere Lyrik erschienen. Ich wußte nun, daß ich das Buch machen würde, aber nicht über Frau Deutsch, sondern mit ihr. Ich wollte alle ihre Grammatikfehler und die besonderen Wörter verwenden, es mußte ein Buch geben, in dem Judenverfolgung in ganz besonderer Sprache erzählt wurde, sonst würde es niemanden, da es schon sehr viele Bücher zu diesem Thema gab, interessieren.“ Mit klaren Worten schreibt sie immer wieder über ihreArbeit aber auch vor allem über ihre Krankheit, ihre Ängste und ihre Sucht und trifft damit immer auch den Zustand der österreichischen Gesellschaft. Das Buch folgt einem Weg aus einem antisemitischen Elternhaus und einer katholischen Enge über gescheiterte Beziehungen, große Erfolge bis hin in die Psychiatrie und Einsamkeit. Die Autorin erlebte die Veröffentlichung der Memoiren nicht mehr, in einem Brief an den Verleger Benedikt Föger von Czernin Verlag schrieb Sie: „Meine Meinung zum Verlegen ist diese: Nicht die Auflagenhöhe ist das Wesentliche, sondern wer es liest.“ In diesem Sinne ist dem Buch eine aufmerksame Leserschaft zu wünschen!
[Paul Eisenkirchner]