einmal noch: voll Leidenschaft

Jetzt hören Sie sich das einmal an: Der Klavierspieler, gleich zu Beginn, hat seine Finger verloren. Alle zehn auf einmal. Hätte er etwas zu diesem Vorfall sagen können, es wäre interessant gewesen – mit Sicherheit – aber er schweigt. Kein Laut über seine Lippen, nicht eine Melodie.
Dabei die Geschichte die es zu erzählen gäbe, wie schon gesagt, mit Sicherheit – ach, was sage ich? Jeder kann es sich denken.
Also: Jetzt denken Sie sich das einmal

 

AN

 

Vergessen Sie es wieder! Was soll uns ein fingerloser Klavierspieler hier halten. Ein schweigender noch dazu. Die Gesellschaft will unterhalten werden…
… in den Bergen wäre es besser, besser als hier, die Haut kühl unter der dünnen Luft, am Morgen Tau, am Morgen wer weiß vielleicht bleibt die Sonne vorerst im Nebel und die Augen brechen Blicke durchs Geäst der Latschen und spiegeln sich im geröllgrau wider, in den gepflasterten Katzenaugen des Weges, die Berge plötzlich, die Kühle, der Gedanke am Morgen, alles in einem aufgelöst, Atemzug möchte man sagen, flüstern.
Verzaubert, die Spiegel blind, die Scheiben staubtrüb und dennoch oder gerade deshalb einer dahinter oder doch ein Spiegelbild. Ein Zitterndes?
Darunter, zehn Finger huschen spinnengleich ums Eck. Der Trommler beginnt zu laufen. Er eilt und fällt und der Wind, jetzt, lässt sich fallen und streicht über die Schindeln der Dächer und im Chor fällt das Wasser und einer steht wieder auf, und einer steht da und dort kauert die Einsamkeit, die Nacht, schwarz-weit und Sternengeröll, noch grau. Es klingt herüber. Der Duft, der harzige, die Latschen sind wieder da. Brechen gewaltsam durch die Spalten und Ritzen. Brechen auf und weiten sich, wallen wie Wellen. Schwappen über und branden gegen einen weiteren Chor von Frauen, Fäusten, Fasanen. Fanfaren brechen von den Gesimsen. Zu lange haben sie zitternd darauf gewartet und nun voll Ungeduld, aber gut auch für die Geschichte vom verzweifelten  Liebespaar, das namenlos, immer noch, und ein Erbarmen, nennt doch einen Namen: Liebste, Liebster
Die Katzenaugen blitzen auf, aufmerksam, der Boden bebt und die erste Geige verstummt. Die Bücher blättern die Seiten wie von selbst, zehn Finger, ungeschoren Schabernack und ein jagender Hund, ein Basset vertreibt die Katzenschlitze, die bösen Blicke, die Ohren flattern, welch ein Bild. Die Wiederholung drängt sich wieder und wieder, der Basset, die tiefe Stimme aus dem Rachen werfend, gegen den Feind, die Ohren meterlang schlingernd schlagend, das Grün, das Gelb, das Blitzen erblindet und da verschwindet alles und an Stelle der Stadt: die Stille.

 

plitsch – platsch – plitsch

die Höhle hat sich geöffnet, die Stalaktitenmitten, die Korallen in alle Richtungen

plitsch – platsch – plitsch

 

das Feuer, ohne Warnung losgerannt. Die eben noch lustvolle Gesellschaft angesteckt und diese Schlag um Schlag

padamm – padamm – padamm

züngeln die züngelnden Flammen weiter, die Häuser brennen, die Stadt, der Regen wird nichts mehr retten

plitsch – padamm – platsch – padamm – plitsch – padamm

 

Madame ihre Stimme Madame über allem. Atem-los-gelöst und weit wie eine Landschaft, wie eine Steppe, ruhig wie ein Meer in einer Windstille bis über den Horizont hinaus, ihre Stimme und zehn Finger über all dem Brausen und der Asche, die in der Hitze haltlos wie die Erinnerung an das Liebespaar gegen den Himmel ansteigt, um doch nie anzukommen, um zu fallen und einzuschlagen. Am Ende. Ach was! Sie werden es schaffen. Die Hoffnung, die Liebe, der Tanz. Die Stadt unter den zarten Füßchen, unter den trampelnden Hufen aber keine Pferde, keine Kühe, keine Herden aber zwei Hufe. Hier gefunden, das Thema: teuflisch taktlos treiben zwischen den Stimmen und den schmalen Ritzen, Spalten, an den Rändern und in den Böden, ein sickerndes, ein langsames Langsames, ein trillerndes, ein lassen Sie es im Blick aufleben, im Schlag des Lids des rechten Auges und verschwinden im Schlag des Lids des linken Auges und nun so halb und halb stehen wir halb vor der Stadt, halb über der Stadt. Wem jetzt noch folgen und wohin?

in die Höhle, das wärmende Feuer

in die Berge, der kühlende Nachttau

in die Stadt,  der Schutt

in den Himmel, die Asche

Das Liebespaar, die zehn Finger lang schon adoptiert, klingt nach und bleibt dennoch verschwunden.
Die haben eine Zukunft!
Sind zwölf, jeder weitere ist der Dreizehnte, ist unter Umständen das Zünglein an der Waage, flammend. Die Waage, die wir uns aufbauen als ob sie ein Versprechen wäre und die Sanftmut und das Lächeln kehren heim, wenn die Waage nur endlich still stehen könnte, gehalten von unseren, von unseren Worten, die noch verbissen in der Sprachlosigkeit hängen wie Welpen an den Zitzen die einen, wie Vampire an den Hälsen die anderen. Milch und Blut in den Wannen und Kelchen.
Ein Gänseblümchen, eine Rose, ein Tod in den Vasen. Unser Tod, unser langsamer Tod in den Vasen. Unsere selbst am Reißbrett entworfene Wüste, der Treibsand, der letzte Sturm, die Körner reiben die Haut vom Fleisch, das Fleisch von den Knochen, die Knochen zu Mehl, das Mehl geht noch einmal durch die Finger, flott und flotter, zehn Finger wie eine Hundertschaft, wie eine Armee, der arme Basset bleibt zurück, verstummt, nicht winselnd, das Liebespaar nun abgeschottet, ein endgültig letztes Halali und die Jagd ist zu Ende. Der Teufel in der Stadt, ein Hoch dem Teufel, ein Kuss, ein langer Kuss, ein letztes Blinzeln und noch einmal voll Leidenschaft: denken Sie sich das
AUS