Vom Dach aus ...

Vom Dach aus lasse ich einen Drachen
steigen und sehe Weinberge hier Schneeberg dort
Lachen um mich das Wehen der Zeit

aus der ich falle in Gedanken los
als ob das was wir uns nicht
oder nicht mehr vorstellen können Maß ist
für lang Vergangenes Wortreiches ohne die Beweise
der Augen das erste Coca-Cola beim Wirten
barfuß durch die Tage durch die Felder
der tägliche Gang zur Lehrstätte später dann
das Fahrrad noch später dann mit dem
ersten Motorklang in das Kino das Lichtspieltheater
als Nabel der Welt auch als Maß
für Zentrum der Blick auf die Bilder
und hindurch verliert sich in der Weite
der Schneeberg im Vergleich dazu ist immer
das was er war und zurück von
eben diesem der Blick in die Ebene
Stiche zeigen ein Dorf inmitten der Felder
der Blick zeigt eine Besiedlung nahtlos als
Peripherie der erweiterten Stadt und dennoch sind
da Zeilen in Grün und ein Satz
in Rot die den Ort weiß aussprechen
wachsen und reifen ein Lesen ein Maß
ein Viertel die Alten eine Feier ein
Prost ein Achtel auf den Erstgeborenen und
später wird der Großvater die Viertel im
Visier über die Stiegen fallen seine Rippen
werden lachend brechen und drei aus der
Familie verbringen so die Nacht im Spital
um am nächsten Morgen stolz er der
Erste ist das wirklich schon so lange
her der Abend in der Bar an
der Ecke so geht es dahin ständig
bricht etwas auf aus oder ein die
Gerüchte sind das Salz auf den Wunden
diese liegen für Momente weit offen brennen
überall eben so spielt das schmutzige Leiern
der Sprache zwischen Abgründen Mensch und Mensch
wer kann aufatmen und wer wird schluchzen
alle alles im Verborgenen die Finsternis still
woher Zeit auch kommen mag hier helfen
Uhren nicht weiter es schlägt ein geheimer
Takt in jedem Brustkorb ist die Erinnerung
eines einzigen eigenen Lebens hier bis jetzt
ein Maß wofür was zählt der Kuss
heimlich zwischen den Weinreben die erste Zigarette
am Fluss ungeschaut bei den Viadukten ziegelrot
Bogen für Bogen für Schritt für Schritt
ortet man die Gedanken die unachtsam verstreut
entdeckt da einen unter verfaultem Laub und
dort einen in der Staubwolke des Schotterparkplatzes
mit Freunden gelacht mit vielen Menschen gesprochen
gestritten auch und geschrien und verärgert und
unbeeindruckt davon darüber über all den Stimm
und Stimmungslagen wird langsam ein wachsender Kreis
wie Wellen am Wasser ein Bild innen
wie ein Stich ein Zentrum eine Peripherie
ein offener Platz mit einer eigenen Geschichte
im Untergrund daraus tausende und mehr Geschichten
aufsteigend ins Blaue wie Wasser wie Himmel
wie Stille und Stimme erzählend im Tenor
all derer denen man begegnete am Weg
das Puzzle setzt sich aus sprechenden Teilen
zusammen die Fäden mal sichtbar mal unsichtbar
niemals Leinen los stets die Taue kappen
der Drachen trug ein Bild eines Adlers
und war ein Geschenk die Erinnerung daran
ist mir heute noch ein echtes Lachen
ein Lachen laut auf außerhalb der Zeitmessung
sage ich was mir bleibt bleiben wird
eine Handvoll Namen und passende Gesichter ein
Hustenanfall nach dem ersten Lungenzug zu stark
ein betrunkenes Umfallen die Achteln im Visier
ein Morgen mit roten Augen ein Zeltfest
hinter der Bühne eine leere Turnhalle darin
ein inszenierter Kampf ein Schauspiel mehr Lustspiel
eine brunzende Ziege im Kofferraum so etwas
ja so etwas passiert zählt weit mehr
als die offizielle Version des einen Lebens
dann noch die Abende mit der Literatur
am Tisch mit den großen Erzählerinnen Erzählern
die Worte im Nachklingen süß noch Tage
danach schwerer als Wein immer ein Maß
für Leben wie Atemzüge Sehnsucht und Vertrautheit
zwischen den Zeilen immer zwischen den Zeilen
bis der Stich der vielleicht aus dem
frühen vierzehnten Jahrhundert stammt sich selbst koloriert
und an die Wände hängt im Brustkorb
neben dem geheimen Takt eine Galerie entsteht
aber lebendig übermalt so liebevoll mit Aquarell
so skurril mit Schminke schwarz mit Erde
und so weiß mit Zukunft in der
ich durch die Straßen gehe und mir
die diese hier Zeit so weit scheint
ich wieder Gast bin und schlendre besuche
plausche und dabei doch außerhalb der Ortszeit
bleibe neben dem Takt und buchstabiere leise
mir die Vergangenheit in Sätzen wie lose
eine Melodie wie Haut über dem Wortfleisch

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Text Nr. 7 aus "im Nachklingen süß zwischen den Zeilen immer" siehe Veröffentlichungen